Die Landung kostet uns wie immer Nerven. Links Marions Hand und rechts die von Hella. Wir werden uns wohl nie daran gewöhnen, was soll‘s! Runter müssen wir und wie! Der Anflug ist beeindruckend. Vor uns breitet sich Palermo, etwas weiter rechts Castellammare del Golfo und ganz rechts der kleinen Gebirgskette San Vito lo Capo mit seinem schlohweißen Strand aus. Letzteres ist unser Ziel. Wie immer ist die Landung problemlos und die ineinander verkrampften Hände lösen sich wieder entspannt.
Der Empfang des Mietwagens löst unsere größere Gruppe aus 3 Familien auf und so fährt jeder auf seinem eigenen Weg zum Zeltplatz La Bahira, 5 km unterhalb von San Vito lo Capo an der Westseite der Insel gelegen.
Wenn man die letzte Kurve genommen hat und s ich vor einem links der ungemütliche „Strand“ (eher felsiges brandungs- umtobtes Ufer) aber rechts die schier unendliche Mauer aus Stein erhebt, ist man tief beeindruckt. So was hat man sicherlich noch nicht gesehen! Zwischen Meer und Mauer (auf der sich oberhalb das Plateau mit dem Ort erhebt), ganz versteckt befindet sich der Zeltplatz. Alles funktioniert reibungslos und wir nehmen unsere insgesamt 4 (eine Familie war schon mit Ryanair schneller und billiger hier) Bungalows in Beschlag. Unglaublich, 20 m dahinter erhebt sich die Mauer aus Kalk.
Sofort jucken die Finger wobei wir dieses Mal nur als kletterndes Rudiment angereist sind: Jens hat sich beim Skifahren das Schlüsselbein gebrochen und trägt Titan in der Schulter, Nicole aus Leipzig hat ein zertrümmertes Sprunggelenk, eingehandelt beim Kinder- Boulder- Training(!). Da Nicole und Daniel seit 11 Monaten stolze Eltern sind, hat dann die ganze Familie den Urlaub storniert. Dafür sind dieses Mal Andre mit Familie aus Chemnitz, Gritti mit Familie aus Dessau dabei, wobei Erstgenannte auch klettern. Jens und Ramona sind trotz der Verletzung dabei, haben sich aber noch Unterstützung (zum Sightseeing) durch ein befreundetes Ehepaar aus Dessau (ebf. zu unverschämt günstigem Preis mit Ryanair) mitgebracht. Also eine bunte Truppe!
Die Bungalows sind sauber aber gut gebraucht, alles Nötige ist vorhanden. Entspannt sehen wir beim abendlichen Rum verkostendem morgendlichen Klettertag entgegen. Andre, der nur sporadisch klettert und Gritti als Anfängerin, die zum 2. Mal draußen ist. Dazu eine Handvoll Kinder zwischen 3,5 und 9 Jahren, die alle „heiß“ sind. Havanna Club, Bacardi und Captain Morgan versprechen viel, es kann also nur gut werden.
Nur gut werden ist untertrieben. Die Wände zeigen eine unglaubliche Struktur, es ist alles dabei. Die Krönung, Routen ab der Schwierigkeit 2 trifft man auch nicht all zu oft. Der 1. Sektor ist „Pinita Sinistra“, schlappe 5min vom Zeltplatz. Natürlich wollen die Kinder zuerst klettern, wir beginnen mit 2c, wobei die Erstbegeher sich wohl nicht im Klaren waren, dass 2c für Kinder, die 1m groß sind, unglaublich schwer werden kann (da zwischen den Griffen keine oder wenig Struktur). Wir machen alle Routen auf der vorgelagerten Platte bis 6a, alle kommen auf ihre Kosten. Der Fels ist extrem rau, die Kanten und Löcher teilweise messerscharf.
Jede ungewollte Berührung von Ellbogen und Knie mit dem Fels führt zu Abschürfungen. Da die Hitze am Fels sich in Richtung 30 °C bewegt, ist die Bekleidung spärlich und die Wunden bei den Kindern größer. Nichtsdestotrotz sind alle glücklich und zufrieden und wir ziehen uns entspannt an den großen supersauberen Pool des Zeltplatzes zurück. Ein Kuriosum bietet dieser, am Vor- und späten Nachmittag hütet „Mr. Body“ Vincente die Ordnung und Sauberkeit am Pool. Als Krönung ist das Baden nur mit Badekappe erlaubt.
Jeder unbedeckte nicht glatzköpfige Schädel wird mittels Trillerpfeife vom gut geölten und gestylten (rote Sonnenbrille, rote Trillerpfeiffenhalsband, rote Badehose und sogar rote Flipflops) Vincente aus dem Pool zitiert und muss sich irgendetwas auf den Kopf setzen, zur Not macht es auch ein breitkrempiger Strohhut! Laut Vincente, der perfekt deutsch spricht, ist dies in öffentlichen Bädern in Italien Pflicht und wird regelmäßig kontrolliert (sagt er, hier mitten in der Pampa am A… der Welt). Egal, irgendwie ist es lustig und auch nicht schlimm. Cool ist auch das man den Felsriegel vom Pool aus sehen und begutachten kann. Leider hat das Wasser nur 21 °C, Hella und ich sind da empfindlich, nach 2 – 3 Bahnen muss ich raus.
Im Frühjahr gibt es nur Mittwoch und Samstag Pizza, das heißt, da hat diese geöffnet. Günstig und lecker und wenn ein sportliches Event ansteht (in dem Falle das Finale der Champions League), gibt es außerdem einen Beamer mit Leinwand. Mglw. ist im Sommer öfters oder immer geöffnet. Der Zeltplatz-Konsum ist mit dem nötigsten ausgestattet, leider gibt es kein kaltes Bier. Der nächste Kaufladen ist in San Vito, in dem gibt es eine spitzenmäßige Fleisch-, Wurst- und Käsetheke. Vor allem die Grillspezialitäten sind sensationell lecker (allerdings auch teuer), das sollte man unbedingt ausprobieren (jedes App. hat einen Grill). Jeden Morgen kommt zudem der „Fischmann“ mit offener Kofferraumklappe an jedem App. vorbei und bietet Meeresfrüchte aller Art feil.
Der Sonntag gehört dann wieder dem Klettern, zuerst der Sektor Pizzeria El Bahira bietet wieder ein paar Kinderrouten (2c) und einige schwerere bis 5c, wobei diese auch die schönste (Destination unknown) ist. Unglaublich, Jens kann uns aus dem Schlafzimmerfenster seines Bungalows beobachten, Zustieg 30 sek!!! Danach geht es ohne Kinder zum Sektor Recinto Pietraia (3 min vom App.!). Es bietet entspanntes Steigen bis 5c. Das Klettern liegt mir sehr, alle (!) Routen sind einzigartig schön. Jede hat ihr ganz eigenes Gesicht und die Bewertung halte ich für absolut korrekt! Dann ist es wieder zu warm und wir ziehen uns an den Pool zurück.
Mein Geburtstag am 22.5. bietet den 1. Schlechtwettertag, den wir zu einem Ausflug nach Selinunt nutzen. Hier stehen eine Vielzahl an Tempeln und Tempelruinen (die sich super zum bouldern und sonstigen beklettern eignen). Kinder haben in Sizilien immer freien Eintritt ohne Altersbeschränkung resp. ohne überhaupt nach dem Alter gefragt wird. Man kann das Ganze dann mit einem Golfcar besichtigen, was wir natürlich nicht gemacht haben. Nach 3 Tempeln incl. der Akropolis ist allerdings Schluss, die Kinder und auch wir sind fertig. Die Abstände zwischen den Tempeln sind doch beträchtlich, da jeder auf einem einzelnen Hügel steht (also doch besser Golfcar).
Der 23.5. mit dem Geburtstag von Andre wird dann noch schlimmer, es regnet wie aus Eimern. Wir frühstücken ausgedehnt bei gleichzeitigem Übergang zu einem leichten Frühschoppen. Dann entscheiden wir uns aber doch für eine Fahrt nach Palermo und dessen Besichtigung.
Als Führerscheinanfänger kann man von einer Fahrt nach und durch Palermo nur abraten, außer man steht auf das Fahren auf 4 Spuren, wo nur 3 oder gar 2 da sind, das wilde überholt werden auf allen Seiten.
Die Vorfahrt ist dem Sizilianer ein Fremdwort (der aus der Seitenstraße Kommende schaut einem tief in die Augen und fährt dann einfach los!), wer zuerst fährt hat gewonnen, was dann, man schaue sich die Autos an, häufig (oder fast immer) in einem Blechschaden endet.
Ansonsten gibt es in Palermo einige sehenswerte Gebäude (Kathedrale Il Duomo) sowie die beeindruckenden Katakomben der Kapuziner mit hunderten von mumifizierten Toten vom Säugling bis zum Greis (trotzdem auch für Kinder ab 4 geeignet, zumindest für unsere).
Einen nicht empfehlenswerten Sektor haben wir dann doch noch entdeckt, Grotta Pineta. Ca. 10 min vom App. sollte diese Grotte eine 3c mit Sternchen (oder Erdbeere wie in unserem Führer Sicily- Rock vom Gebro- Verlag) bieten. An heißen Sommertagen bietet die Grotte zwar eine angenehme Kühle, jedoch scheint der Fels auf der rechten Seite schmierig und es stinkt nach Tier-Exkrementen. Nachdem ich am Umlenker ankomme und darüber hinausschaue (man guckt durch eine Höhle auf das darüber liegende Plateau) sehe ich eine weidende Kuhherde. Mglw. ist die Ausstiegshöhle auch als tierischer Fäkalschacht bekannt, jedenfalls empfehle ich Hella, die Route gar nicht erst zu probieren, aber ihre Sturheit bringt ihr dann glitschige 5 m aufwärts und angstvolles Runterlassen (warum, weiß ich nicht ?!). Marion wollte es auch erst im Vorstieg probieren, lässt aber nach 2m davon ab.
Als wieder absolut empfehlenswert stellt sich dann ein Sektor links der Grotte heraus – Centrale Pineta. Wieder traumhafter Fels mit top-Absicherung. Alle „Erdbeer“-Routen tragen diese zu Recht, wobei auch die ohne sehr schön sind. Allerdings muss man auch im Mai teilweise anstehen, einige Routen sind permanent belegt. Besonders herausragend sind der „Traumpfeiler“ (bis zum 4 Haken harte 5c) und „Il Parallelo“ (6b mit schwerer Einzelstelle).
Schon am letzten Tag waren wir am letzten Tag waren wir nach dem klettern am, laut Web, schönsten Strand Siziliens (Sa Vito lo Capo). Herrlicher Sandstrand, breit genug für alle, kostenlose Parkplätze in 5 min Gehentfernung allerdings mit noch etwas kaltem Wasser (18 °C). Es gibt zwar rot schimmernde Quallen, allerdings, versichert uns ein Einheimischer, sind diese harmlos. Einen Nachteil gibt es dann doch, es gibt weit und breit keine öffentlichen Toiletten, man müsste immer eine Lokalität aufsuchen (oder ein Stück am Strand lang bis zum Ende…).
Insgesamt bietet Sizilien einzigartiges perfektes Klettern, vergleichbar nur mit dem fantastischen Ton Sai Beach in Thailand, wobei Sizilien den perfekteren (wenn auch nicht spektakulären) Fels bietet. Ein Auto bräuchte man zum reinen Klettern nicht, wenn man auf dem Zeltplatz El Bahira nächtigt. Das Sightseeing ist weniger spektakulär, die Straßen sind schlecht, die Sizilianer schlechte Autofahrer und insgesamt macht Sizilien einen eher ärmlichen Eindruck. Wir werden sicherlich nochmal als Männertruppe (incl. Nicole) nur zum Klettern hierher kommen, die günstigen Flüge mit Ryanair laden gerade dazu ein.