No rei – Thailand für Anfänger – 2010

Das einzige Hindernis für einen noch entspannteren Urlaub ist das seltsame Englisch, was der Thailänder gemeinhin spricht. No Rei bedeutet nichts anderes als No Rice, also kein Reis. Die Thailänder lassen oft den hinteren Teil vieler englischer Wörter einfach weg, so dass die Verständigung oft umschlägt in heitere Begriffe raten. Nichtsdestotrotz ist Thailand ein phantastisches Reiseland.

Unser Trip, Hella, Marion und meiner, beginnt nachts mit der Taxifahrt vom neuen Flughafen zu unserem Hotel im Herzen Bangkoks. Der Schritt aus dem klimatisierten Flughafen auf die Straße gleicht einem heißen feuchten Ganzkörperumschlag, obwohl es bereits 19:00Uhr ist. Die ersten Atemzüge fallen schwer. Unser Fahrer kennt keine Geschwindigkeitsbegrenzung, die es in der Tat auch offensichtlich nicht gibt. Bei Ankunft eilt uns sofort ein Hotel-Angestellter entgegen und übernimmt das Gepäck. An der Rezeption liegt ein Umschlag mit allen Reiseunterlagen für uns bereit. Wir hatten im Vorfeld bei einem Reiseunternehmen („Erlebe Thailand“) 3 Bausteine gebucht, die im Einzelnen noch beschrieben werden. Im 1. Baustein war auch der Transfer zum Hotel enthalten. Entspannt lassen wir uns auf die Holzstühle auf der anderen Straßenseite des Hotels fallen und nehmen unser 1. Mahl und Getränk ein. Hier offenbart sich dann auch das Problem, dass uns noch 3 Wochen begleiten wird:  Hella mag das Thai- Essen nicht!

Auf dem Weg zu unserem 1. Baustein, Fahrradtour durch Bangkok, quetschen wir uns an einem schier chaotischen Gewirr aus Straßenverkaufsständen, fahrenden Küchen und Bettlern vorbei. Unsere 1. Schifffahrt mit einer Art Wasserbus liegt hinter uns. Dass wohl beste Verkehrsmittel im Moloch Bangkok. Die Straßen zu betreten ist schier lebensgefährlich, jeder fährt wie es ihm gefällt. Die Anzahl und Art der Fahrzeuge scheinen unerschöpflich. Endlich erreichen wir das verabredete Hotel. Die Fahrradtour führt uns durch 2 Führer begleitet zu den unbekannten ruhigen Orten, aber auch zu einigen großen Tempeln (Wat), unter anderem dem größten sitzenden Buddha in Bangkok.

Wir fahren vorbei an Reisfeldern und Bananenplantagen auf sehr engen (ca. 1,50 m) breiten erhöhten Betonpfaden. Es gibt zahlreiche Erklärungen zu Tempeln und Anbauarten. Ein wirklich gelungener 1. Tag.

Schon am nächsten Tag verlassen wir Bangkok Richtung Norden zur berühmten ursprünglichen Hauptstadt Ayutthaya, unserem 2. Baustein.
Freundliche Menschen weisen uns den Weg zum Hauptbahnhof von Bangkok. Einer versteht uns falsch und will uns unbedingt zur Tourist- Info schicken. Dort, nach unserer 1. Tuk- Tuk- Fahrt (Moped mit 3 Rädern und relativ bequemen Sitzmöglichkeiten) angekommen, lichtet sich das Dunkel schnell. Sofort nachdem die freundlichen Thais bemerken, dass Sie uns nichts verkaufen können (wir dachten, hier kriegen wir die Fahrkarten billiger, gibt aber nur Touren) werden wir sanft nach draußen komplementiert. Schließlich erreichen wir den gar nicht so großen Hauptbahnhof (3 x so groß wie Dessaus Hbf.). Froh, Bangkok endlich verlassen zu können, lassen wir uns in die Sitze der 2. Klasse plumpsen. Billiger als Zugfahren kann man sich in Thailand wirklich nicht bewegen. Die Fahrt kostet keine 5 € pro Person. Ein junger Mann dreht alle Sitze in Fahrtrichtung (bei der DB undenkbar). Nach der Ausfahrt aus dem Bahnhof sieht man einen Teil der Slums. Direkt neben den Schienen beginnen die kleinen Holz- oder Blechhütten. Die Menschen benutzen die Gleise, als wären sie auf dem Boulevard. Die andere Seite von Bangkok.
Die Fahrkartenkontrolle ist ein Highlight. 3 (!) Männer in maßgeschneiderten Junta-ähnlichen Uniformen betreten den Wagen. Einer kontrolliert und sagt laut der wichtigsten Infos auf den Fahrkarten an, der 2. notiert alles akribisch, der 3. folgt schweigend.

 

Kurz vor Ankunft kommt einer der Männer und weißt uns freundlich daraufhin (ebenso undenkbar bei DB), dass wir jetzt aussteigen müssen. Während der gesamten Fahrt durchqueren ununterbrochen Männer, Frauen und Kinder den Zug mit ihren anzupreisenden Erfrischungsgetränken.
Am Hotel erwartet uns schon unser nächster Trip in Form eines Tuk- Tuks mit Fahrer, ein nachmittäglicher Besuch der Ruinen der alten Königsstadt Ayutthaya. Allerdings läuft das Ganze etwas enttäuschend ab. Er fährt uns lediglich herum, er kommt auch nicht mit hinein in die bewachten und eintrittspflichtigen Kultstätten. So müssen wir uns alleine umsehen und die Beschreibungen auf den Schautafeln studieren.

Als Hella die Touri- Elefanten sieht, ist es natürlich aus. Hella hat ihre helle Freude auf dem Dickhäuter. Marion und ich sitzen wie 2 bedepperte Pauschaltouristen auf der Rückensitzbank. Artig winken wir allen japanischen Touristen auf ihren Rüsseltieren, die das aber ähnlich euphorisch wie Hella empfinden.

Jetzt kommt der aus Hellas Sicht spannendste Teil der Reise. Die Fahrt mit dem Nachtzug quer durch Thailand. Die Rückfahrt nach Bangkok am nächsten Tag verbringen wir ausversehen (ich sollte die Tickets holen!)  in der 3. Klasse. Die Tickets gibt es praktisch geschenkt (4 € zusammen!). Der Zug ist voll, jedoch wird für Marion und Hella sofort ein Sitzplatz auf einer Holzbank geräumt. Ein auf den 1. Blick netter Thai entpuppt sich als lästige Plappertasche, sein Englisch ist kaum zu verstehen und seine Aussprache sehr feucht. Soviel ich verstehen kann, heißt er uns in Thailand willkommen und preist die wichtigsten Reiseziele an.

An jeder vielbefahrenen Straße, die die Bahnlinie kreuzt, muss der Zug auf die scheinbar niemals endende Fahrzeugschlange warten, Verspätungen sind damit vorprogrammiert.
Pünktlich verlassen wir zum 2. Mal den Hauptbahnhof. Sofort kümmern sich mehrere Mitarbeiter um die Fahrgäste und wollen Getränke und Abendmenüs an den Mann und die Frau bringen. Die meisten Fahrgäste sind jedoch junge Trekker, die jeden Baht 3 x umdrehen, obwohl Essen und Trinken in Thailand wirklich günstig sind. Auch die Aufschläge in Zügen oder am Strand halten sich in Grenzen. Gegen 22:00 Uhr werden die Sitze in Betten umgebaut, frische Bettwäsche wird aufgezogen und der Vorhang zugezogen. Hella nimmt begeistert ihr Bett in der Oberetage in Beschlag. Ich schlafe lange vor ihr ein.

Der Morgen ist wenig verheißungsvoll. In Erwartung der Ankunft in Surat Tani um ca. 6:30 Uhr quälen wir uns aus den Betten und erledigen die notwendige Morgentoilette. Nach der freundlichen Ablehnung eines Frühstücks hören wir, dass der Zug zwischen 2 und 4 h Verspätung hat. Natürlich werden es 4 h. Nach nochmaliger 4- stündiger Busfahrt (eine Zugverbindung gibt es nicht) erreichen wir den Terminal von Krabi. Wie immer wenden sich sofort geschäftsträchtige Thais an uns. Doch durch die Zugverspätung verpassen wir die letzte Fähre nach KoPhiPhi. Im Frühling fährt die letzte Fähre 15:00 Uhr. Auf dem Terminal haben sich diverse Touren- und Reisevermittler niedergelassen. Wir wenden uns an einen. Sofort organisieren sie eine Verbindung zum schon gebuchten Hotel auf der Insel. Nach einigen Versuchen übergeben sie uns ihr Handy. Eine Umbuchung ist so kurzfristig leider nicht möglich. Die Vermittler verschaffen uns ein Hotel mit Pool, Fähre und Transfer für den nächsten Tag. Das erste Mal sehen wir aus dem Hotelzimmer das Meer, bzw. das was davon übrig ist, es ist Ebbe. Am Abend fährt uns ein Hotelangestellter in die unweit gelegene City.
Wieder tritt ein bereits einige Male erlebtes Phänomen auf. Viele Thais, Männer wie Frauen, bleiben bei Hellas Anblick wie angewurzelt stehen und bestaunen sie. Einige weisen hektisch ihre Kinder oder Bekannten auf das blonde Mädchen hin. Viele rücken unaufdringlich näher und berühren Hella am Arm oder am Kopf. Dabei lächeln sie von einem Ohr zum anderen und sagen Dinge wie: „You have so ni(ce) hair“(die Thais sagen nei wie beim erwähnten Reis…) oder „I love you(r) hair“. Es ist faszinierend, nie irgendwie lästig und macht einen auch stolz. Zum Grund dieses Handelns gibt es 2 Versionen. 1. Die Thais lieben Kinder über alles (wir haben das auch bei Thai-Kindern oder Babys beobachtet) und schöne Kinder ganz besonders.

Wenn sie dann noch blond und weiß sind, nimmt der Stellenwert noch zu. 2. Es soll Glück resp. Geldsegen bringen (ich sollte doch noch öfters mit Hella kuscheln!).
Die Märkte in Thailand sind unglaublich vielfältig und bunt. Es gibt alles. Das Feilschen um jeden noch so geringfügigen Artikel gehört dazu. Erschöpft lassen wir unseren 8. Hochzeitstag auf unserem Meeresblickbalkon ausklingen.

Langsam wendet das Schiff und fährt hinaus in die offene ruhige See. Hella und ich sitzen ganz vorne an der Spitze des großen Bootes auf dem Deck. Unzählige Felsen und befelste Inseln tauchen aus dem Wasser auf und verschwinden hinter uns wieder. Wir raten, welche der Inseln wohl KoPhiPhi ist. Langsam wird sie größer und größer. Nach ca. 30min und einer halben Umrundung tut sich vor uns der lange Sandstrand auf. Unzählige Hotels haben sich in Strandnähe positioniert.

Kaum angelegt muss man eine Gebühr (5 €) für die Benutzung des Eilands leisten. Dann folgt der Spießrutenlauf an gefühlten 100 Männern mit Hotelschildern vorbei, danach kommen unzählige Stände für Touren, Tauchen und Klettern in der Umgebung. Dazwischen immer wieder laute Zwischenrufe von Männern, die ihre Longtailboote feilbieten. Plötzlich geht unser Roll- Koffer in die Knie‘. Die Rollen haben sich nach außen gedreht, der Korpus schleift auf dem Boden. Genervt von den unzähligen Verkäufern muss ich den Koffer vor die Brust nehmen. Zum vollen 70 l – Rucksack die richtige Ergänzung. Nach dem deponieren unseres Gepäcks (hier haben wir noch eine Nacht nach unserem nächsten Baustein) in dem wenig entgegenkommendem Hotel, springen wir endlich ins vermeintlich kühlende Nass.  Dies hat jedoch gefühlte 30 °C, wir haben trotzdem unseren Spaß.

Unzählige Longtailboote säumen den Strand und schränken die Bademöglichkeiten in dieser wundervollen Bucht stark ein. Bei Ebbe kann man hier stundenlang, wie übrigens an jedem Strand, den wir in Thailand gesehen haben, Muscheln und tote Korallenstücken suchen. Der Grund für die vielen Backpacker, Touristen und Händler und Verkäufer ist relativ schnell gefunden. Unser 3. und letzter Baustein ist es. Der Besuch der Maya Bay, besser bekannt als „The Beach“.

Seit dem der Hollywoodschinken mit Leonardo di Caprio in die Kinos kam, kommen Menschen aus allen Teilen der Welt hierher um entweder bei einer Tagestour den Strand resp. die Bucht zu erleben oder dort eine Nacht zu verbringen.

Wir haben zweiteres vor. Unser Führer namens Nemo ist als einziger ziemlich genervt von der Tour. Heute findet in ganz Thailand das berühmte Kratong- Fest statt und er muss mit uns Touris (2 Engländer aus Singapur und uns) den Trip machen. Das Fest wiederum ist unser Glück. Normalerweise ist das Boot voll mit partyhungrigen Backpackern. Einsam auf dem großen Deck des gelben Schiffes sitzend, verlassen wir KoPhiPhi. Die steilen Felsen, welche die Maya Bay umschließen erreichen wir nach 20 min. Endlich kriegt auch Nemo wieder bessere Laune und zeigt uns eine riesige Höhle, von der aus wagemutige Thais Vogelnester an den steilen Wänden sammeln, eine Delikatesse (werden solange gekocht, bis nur noch die Vogel- Spucke übrig ist, die die Nester zusammenhält!) in Asien.

Dann machen wir halt an einer einsamen Bucht. Hier schnorcheln wir 1 h. Wir sehen „echte“ Nemos, die aus dem gleichnamigen Trickfilm bekannten kleinen Clownfische, eklige Seegurken (das anfassen derselben weckt die Erinnerung an den letzten Toilettengang, nur extrem schleimig und die Gurke kann ihr Maul öffnen!) und riesige Seestern-ähnliche lila Fische. Durch das Anfüttern mit Toastbrot fühlt man sich wie im Piranja-Aquarium (Nemo hat uns, zu seiner Freude, mit dem Brot beworfen). Hunderte Fische umschwirren uns.
Dann 15 min später tut sie sich vor uns auf, The Beach! Die Bucht ist wirklich sehenswert, allerdings gibt es davon unzählige in Thailand, nur keine ist so berühmt. Die letzten Touris verlassen den Strand Richtung KoPhiPhi. Als erstes sammle ich einige Plastikbecher und Bierbüchsen am Strand ein. Das Verhalten einiger Touris ist wirklich nicht nachvollziehbar! Hier muss man, um die geschaffene Infrastruktur zu erhalten (Wassertoiletten, beleuchtete Wege u.a. Annehmlichkeiten) ebenfalls 5 € bezahlen, was einige wohl veranlasst, sich gehen zu lassen!

Endlich sind wir allein! Der Tag neigt sich dem Ende! Hella spielt mit einem mitgereisten Thaimädchen (Tochter einer Bediensteten) im Wasser. Plötzlich färbt sich der Himmel erdbeerrot. Durch den puderweißen Sand färbt sich auch der Strand rot. Auch alle Menschen haben einen Rotschimmer. Ein beeindruckendes Schauspiel. Allerdings auch ein Vorbote. 1 h später bricht die Sintflut los. Der Regen ist so intensiv, dass man in demselben auf der Stelle „durch“ ist. Gleichzeitig versuchen unser Guide und die restliche Crew mit Blumen, etwas Kleingeld sowie von allen, die Glück brauchen, mit ein paar Haaren oder Fingernägeln versehene kleine Boote aus Kokosnüssen aufzubereiten (Wunderkerze anzünden!) um sie dann ins Meer auszusetzen.

Das ist ein elementares Ritual des Kratong- Festes. Nach ca. 3 m und gefühlten 5 Sekunden gehen die Glücksbringer aber unter. Der Regen bleibt intensiv und die Rinnsale werden zu kleinen Bächen. Ein Crew-Mitglied stellt sich mir zum ca. 5 x vor, er ist total bekifft. Auch die anderen Kollegen sind gut drauf! Ein lustiger Abend, irgendwie hat man das Gefühl, dass Leo (de Caprio) gleich aus dem Wasser steigt…

Wieder auf KoPhiPhi gelandet verbringen wir einen Tag und eine Nacht auf der Insel als typische Touris: Baden, Essen, Baden, Schlafen…
Endlich rückt der Tag näher, an dem wir in die legendäre Ton Sai Bucht fahren. Der Mittelpunkt der Klettererde!

Die weiße Gischt spritzt immer wieder über das Boot. Ich bin ganz aufgeregt, nur noch um den nächsten Felsen! Da sind sie, Ton Sai-, Railay West- und der durch Felsen verdeckte Phra Nang Beach liegen in trauter Dreisamkeit vor uns. Sofort scanne ich jede Felswand nach Kletterern oder zumindest nach Spuren von ihnen ab. Unzählige Routen und Wände tun sich vor uns auf, übersät mit weißen Chalkspuren. Unmittelbar vor dem Anlegen am Ton Sai Beach sehen wir die Ersten klettern. Direkt neben der letzten Beachbar auf der rechten Seite ziehen einige knackige Dachrouten durch das Gemäuer. In dieser Bucht gehen die Uhren etwas anders.

Der Strand ist als solcher sehr unansehnlich, unzählige Korallenstücken zieren den Strand. Die Bars und Restaurants sind überschaubar und von einfacher Ausstattung. Straßen gibt es nicht, lediglich ein Trampelpfad führt durch den Dschungel zu den einzelnen Ressorts. Wir steuern das Dream Valley Ressort an. Nach einigen Recherchen im Netz wurde dieses aufgrund seines üppigen Frühstücksbüfetts empfohlen. Nach einigen Besichtigungen entscheiden wir uns für einen gerade sanierten Bungalow mit 3 Betten und Klimaanlage (40 €/Nacht). Am nächsten Tag gehen wird den etwas umständlichen Weg durch den Dschungel nach Railay. Hier sind die Ressorts luxuriöser. Der Touri-Anteil ist hier schon etwas höher. Nach dem Baden und etwas Sightseeing möchte ich mit Marion und Hella noch testweise an einen Felsen direkt an unserem Strand zum Klettern gehen. Als wir wieder auf unserer Seite sind, was bei Ebbe recht einfach ist, zieht ein monströses Gewitter auf. Na danke! Am Abend frage ich in einem Bungalow-Ressort an unserem Strand nach Angel aus der Schweiz. Mit dem hatte ich mich zum Klettern auf einer Web- Plattform für Klettertrips weltweit verabredet. Er ist nicht da. Da ich das Niveau der Kletterer vor Ort nicht kenne, und hier sind hunderte Kletterer, traue ich mich nicht, einfach jemanden anzusprechen. Niedergeschlagen sitze ich am nächsten Tag am Strand. Marion drängt mich, vor allem um den Miesepeter loszuwerden, doch einfach an die Felsen zu gehen. Na dann!
„Hallo, my name is Volker. Can I climb with you?“; „Bist du aus Deutschland?“; “Ja“; “Cool, ich bin Arthur. Das sind Steffi und Floh. Ich bin auch alleine und habe die beiden hier getroffen. Ich habe 6 Tage zum Klettern.“; „Ich auch! Welche Schwierigkeit kletterst du?“; „so 6a bis 6b+, vielleicht 6c“; „Perfekt!“. Besser konnte es gar nicht kommen! Nach 2 fantastischen Routen (6a und 6a+, Sektor Fire Wall) ist es mit der Idylle vorbei. Wieder gibt es jede Menge Regen. Am nächsten Tag wollen wir richtig angreifen!

Völlig ausgepumpt schleppe ich mich zum verabredeten Treffpunkt. Ich habe gerade 1 h auf der Toilette verbracht. Dafür wird der Tag wettertechnisch ganz schön. Zuerst versuchen wir es im Sektor 1 – 2 – 3. Der ist allerdings hoffnungslos vor allem mit Kletterschulen überfüllt. Schnell ziehen wir eine 5 und marschieren dann zum Sektor Phra Nang Beach am gleichnamigen Strand. Hier klettern wir (nach Info durch einen ortsansässigen Führer) die 1. Kletterroute („Money Maker“, 6a) in ganz Thailand! Wow! Nur besonders toll ist sie nicht…

Zum Spaß für die Touris und die Kletterer ziehen einige einheimische Guides an dieser Wand regelmäßig ihre Show ab. Dabei werden immer ein paar spektakuläre Boulder-Parcours geklettert oder eher zelebriert. Jeder Griff sitzt, die Routen sind teilweise 6m hoch. Das Er- und Abwärmen sind auch sehr sehenswert. Unser Mann, Monkeyman genannt, klettert zum Schluss einen 15 m (!) hohen glatten Baum hoch und steht 1 Minute leicht mit dem Baum schwankend im Wipfel. In gefühlten 5 Sekunden ist er wieder unten. Zum Glück haben wir das auf Video, sonst glaubt das keiner! Unglaublich!

An dieser Wand hier sind die ganz harten Routen (ab 7a aufwärts), so dass wir danach weiter ziehen zum Sektor Universe Wall und direkt daneben Escher Wall, einfach den Phra Nang Strand entlang bis zum Ende. Hier wird gerade ein Kinofilm („Thailand Boxer“) gedreht. Etliche Filmteam- Mitglieder machen im Schatten ihre Mittagspause. Aufgrund dessen dürfen wir hier bis 14:00 Uhr klettern (6a+) und das in der prallen Sonne.  Am Nachmittag bin ich völlig fertig und kann gerade noch meinen Rucksack tragen. Glücklicherweise hatte ich am Morgen 2 Immodium eingeworfen, aber der Körper hat alle Energie verloren.
Am Abend nehme ich viel Cola und viel Suppe mit sehr viel Salz zu mir. Der Hunger ist wieder da! Darauf gönne ich mir einen riesigen Burger! Marion rät mir von allem Kalten und Scharfen ab. Diese Strategie bewährt sich. Zwar sind die Aufenthalte des Abortes am Morgen immer noch zeitaufwendig, aber ich fühle mich besser.

Den nächsten Tag lege ich eine Pause ein und wir fahren in Familie mit dem Longtail-Boot nach Krabi. Shoppen ist angesagt! Marion hat schon die Weihnachtsgeschenke im Blick und so treten wir schwer bepackt die Rückreise an.

Thailand ist ein Paradies für Schnäppchenjäger. Brettspiele aus Holz, Klamotten, Kunst usw. Man macht garantiert ein Schnäppchen. Danach checken wir schon mal das teuerste Hotel am Platz, in dem wir unsere letzten beiden Tage verbringen wollen.

Wieder haben wir uns zeitig am Morgen zum Klettern verabredet. Steffi kommt mir plötzlich alleine entgegen. Floh hat es erwischt, Schüttelfrost, Fieber, Lungenschmerzen(!), Durchfall. Das ganze Programm. Allerdings haben sie den Abend davor ein wenig gefeiert. Dafür eignet sich Ton Sai Beach perfekt. Jeden Abend ist Party mit Slackline- und Feuer-Shows. Und es gibt nicht nur zu trinken…

Steffi und Floh sehen wir nicht wieder. Wahrscheinlich mussten sie aufgrund von Floh’s Zustand abreisen. Es gibt zwar eine Apotheke in Railay, aber einen Arzt findet man nur in Krabi.
Heute ist der Sektor Eagle Wall unser Ziel. Bei Ebbe erreichen wir am frühen Morgen problemlos die Bucht. Nach dem Strand beginnt sofort der Dschungel und damit die Mückenplage. Nach wenigen Metern sind wir an den Felsen. Vor uns erhebt sich eine gigantische Sintersäule, die bis auf den Boden reicht und ca. 4 m Durchmesser hat.

Sofort machen wir uns ans Werk („Totem Pole“, 6a). Zuerst sind wir allein, jedoch füllt sich zusehends dieser Sektor. Australier, Franzosen und Südtiroler (nenne sie niemals Italiener!) und wir ergeben eine bunte Mischung. Alle sind unheimlich nett, überall bleiben die Exen gleich drin, zur Not werden auch die Seile mangels Länge („Spiderman“, eine 6a mit 40m!) getauscht.

Die Australier begrüßen alle mit Handschlag und ihrem Namen. „Love, Peace and Rock (‚n’Roll)!“. Willkommen im Paradies! Wenn nur die Mücken nicht wären. Das Europäische Mückenzeug hilft hier nix. Die örtlichen Mittel brennen wie Feuer auf der Haut, aber die Plagegeister sind verschwunden.
Hier gelingen uns einige 6b’s onsight (z.B. „Lost in Space“). Und sogar eine 6c („5D Mak Mak“) wäre drin, wenn, ja wenn sich Arthur dabei nicht den halben Finger abgerissen hätte. Beim 2.Auschecken der Route (1 x hätte auch gereicht!) rutscht Arthur auf einem abschüssigen tritt der Fuß weg, er erreicht zwar den Zielgriff (ein Nagelkissen!), jedoch geht es gleich wieder abwärts.

Vom 1. Glied des Mittelfingers hängt ein Lappen runter. Arthur beißt die Zähne zusammen, wir tapen den Finger und weiter geht’s. jedoch jetzt wieder etwas gemächlicher. Da ist auch der einzige Nachteil der Felsen hier, einige Stellen sind noch nicht abgeklettert und es kann höllisch scharfkantig werden. Dieser und einer fantastisch „einfach“ aussehenden 6c+ („Kon Ba“) werde ich noch lange nachtrauern (kein Rotpunkt). Aber wer nicht wagt…Am späten Nachmittag steht das Wasser bis an den Strand, jedoch haben unsere neuen südtiroler Freunde ein Boot gechartert, das uns für 20 Baht zurück nach Ton Sai bringt. Die Jungs und Mädels wohnen etwas einfacher. 100 Baht (5 €!) am Tag für eine Bambushütte ohne Fenster aber mit unerwünschten Haustieren wie Käfern, Spinnen, Ratten (!) und Schlangen. Da sie bereits 4 Wochen hier sind und noch bis April in Asien bleiben wollen, muss man schon aufs Geld achten!

Heute ist Familientag. Dieses Mal steht jedoch auch klettern auf dem Programm. Inmitten der riesigen Wand am Phra Nang Beach gibt es einen Aufstieg (für geübte Wanderer kein Problem) zu einer Aussicht als auch zu einer Lagune. Mit Brustgurt und langer Bandschlinge gesichert klettert Hella entspannt hinter mir her. Allerdings ist der rote Boden zwischen den Felsen extrem glitschig. Zudem sind wir vom Dschungel umgeben. Völlig durchnässt erreichen wir die Aussicht. Das war der Aufwand eigentlich nicht wert. Schnell ein paar Fotos und dann zur Lagune auf der anderen Seite. Durch Matsch und wirklich extrem glitschigen Boden kämpfen wir uns an einigen Urwaldriesen vorbei.

Die Lagune bleibt jedoch unerreicht. Durch einen schmalen Spalt sehen wir dieselbe, jedoch geht es vor uns über einen Wasserfall, in dem ein Seil mit Knoten hängt nochmal 7 m nach unten. Ab hier nur für Profis mit Taucherausrüstung. Rückzug! An den folgenden Tagen sehen wir immer wieder Menschen, die von oben bis unten verdreckt sind mit roter Erde. Dagegen sind wir fast sauber wieder unten angekommen. Den Rest des Tages verbringen wir am Strand.

Wieder treffe ich mich zeitig am Morgen mit Arthur. Außerdem sind Molly aus Kanada und Melina aus den USA dabei. Dieses Mal nehmen wir die Wand rechts vom Railay West Beach (Sektor Thaiwand Wall). Hier oben weht fast immer ein leichter Wind, was die Stechtiere fernhält und die Temperatur etwas geringer erscheinen lässt. Die leichteren Routen sind schon arg abgeschmiert, ab 6a+ geht es. Die Aussicht ist wieder fantastisch, die Routen auch.  2 Luxemburger, die wir auf Grund ihres Akzentes für Franzosen halten, aber gar kein Französisch können (!), halten uns für die besseren Kletterer, 1h später versuchen sie eine 7a, die sie auch mit viel Mühe hochkommen, so viel zum Thema „der 1. Eindruck täuscht“ (natürlich nur was uns betrifft!)!

Gestern war unser letzter Abend mit Arthur, er ist abgereist. Natürlich fiel ihm der Abschied schwer. Arthur war ein ganz „Netter“, auch alle anderen mit den wir klettern waren und die wir kennengelernt haben. Ein schöner Ort mit schönen netten Menschen aus aller Welt!
Heute will ich mit meinen Mädels wieder ein Abenteuer wagen. Der letzte Sektor bot noch mehr als nur Kletterei. Über einen 4 er erreicht man eine natürliche Höhle, die auf die andere Seite zum Sektor Universe Wall führt, dort wo der Film gedreht wurde. Ausgerechnet hier am Einstieg bemerken wir, dass Hellas Kletterschuhe nicht mehr passen, also sächsisch weiter!

Die letzten Meter sind hart, ich konnte die Stelle mühelos ausspreizen, Hella muss den glatten Fels hoch. Mit einer Träne im Auge drückt sie ihre Mama, geschafft! Am Einstieg zur Höhle steht eine Leiter nach unten. Es ist stockfinster. Wenn ich jetzt noch sage, dass mir auch ein wenig mulmig ist, kehren wir alle um! Also los. Nach einigem Auf und Ab kommt uns auch schon ein Guide mit einigen Klienten entgegen. Danach wird aus der Höhle eine Kathedrale. Sie ist riesig! Der Ausblick auf Meer und Strand spektakulär. Ein schöner Spaß!

Das Boot entfernt sich langsam vom Ton Sai Beach. Wehmütig blicke ich zurück, vor allem der Umstände wegen, die das Klettern an diesem fantastischen Ort etwas schwierig gestaltet haben. Sintflutartiger Regen, der Magen, halb abgerissene Finger und manchmal der fehlende A…. in der Hose, mal etwas zu probieren. Wir kommen wieder, auf jeden Fall!
Die letzen beiden Tage verbringen wir in einem „Neckermann“-Hotel in Krabi. Jeder Service wird geboten. Es ist nett, wenn die Touris nicht wären, die 6:30 Uhr ihr Handtuch auf die Liegen am Pool legen würden.

Der vorletzte Abend gehört nochmal der Kultur oder besser dem Sport. Mit einem LKW werden die Touris eingesammelt und zum örtlichen Stadion gefahren. Auf Grund eines Missverständnisses landen wir mit unseren Billigkarten auf einer Ledercouch direkt vor dem Ring, First Class! Thai-Boxen ist angesagt! Mit zunehmendem Abend steigt das Alter der Kämpfer und die Spannung. Die Einheimischen stehen auf einer freien Seite des Ringes und gestikulieren und diskutieren wild durcheinander! Natürlich geht es um Geld! Die Kämpfer bewegen sich extrem schnell und manchen k.o. kann man nur vermuten, da es zu schnell geht. Leider interessiert das Hella irgendwann nicht mehr, sie wird müde und die letzten Kämpfe können wir nicht sehen. Schade!

Heute geht es nach Hause! Wehmut macht sich breit! Tschüss Thailand.
Aus meiner Sicht eines der schönsten Länder die wir bisher besucht haben und wir haben schon viele Länder gesehen. Irgendwie ist das gerade Erlebte aber immer das Schönste. Aber es sind die Landschaft, das Essen, die Preise, die extrem netten ThailänderInnen und natürlich das Klettern. Absolut einfaches Reisen, auch mit Kindern kein Problem, wenn man vom Flug absieht (für Hella war das Schönste der Flug!). Ein Reiseland für Menschen, die vielleicht das erste Mal auf eigene Faust unterwegs sein wollen, eben für Anfänger.

Spritzkuma auf Korsika – 2007

Manoman, jetzt sind die immer noch nicht da! Mir läuft der Schweiß in die Augen, ich habe Sand in den Schuhen und in jeder anderen Körperöffnung. Ich schau lieber noch mal nach! Nein, da ist keiner. Familie Koepernik (Hanna, Horst und Jochen) wollte doch schon am Samstag kommen, oder habe ich wieder etwas nicht mitbekommen? Hella besteht auf ihr Recht, das sie 24 h- All- Inclusive gebucht hat, sprich, ich soll mich um sie kümmern. Jens (Ulbrich) und seine Frau Ramona wollten erst am Sonntag losfahren, aber jetzt haben wir schon Montag. Mir jucken die Finger beim Anblick jedes noch so kleinen Felsens und jeder Muskel meines Körpers schreit nach Klettern. Na ja, dann fahren wir erstmal nach Bonifacio zum Sightseeing….

Korsika hat wirklich einiges zu bieten: fantastische Sandstrände (nicht so schwierig auf einer Insel!) und daneben keine Hotel-Betonhochburgen und bemerkenswerterweise ein Gebirge mit bis zu 2.700 m hohen Gipfeln. Man spricht fast ausschließlich französisch (es gibt vor allem (fast) keine deutschen Speisekarten!) und die Menschen sind gelassen und freundlich. Durch einen früheren Sardinien- Urlaub doch etwas verwöhnt hing die Latte, die Korsika hinsichtlich eines befriedigenden Urlaubs zu überspringen hatte, doch relativ hoch und sie sollte in mancherlei Hinsicht übertroffen werden. Doch der Reihe nach!

Unser erstes Reiseziel hieß I’lle- Rousse im Nordwesten der Insel. Schöne Strände mit jedoch recht stürmischer See (die Surfer wird’s freuen) laden zum Verweilen ein. Das kulturelle Leben spielt sich vor allem in Calvi ab. Dieses ist mit einer völlig überfüllten und stickigen Eisenbahn (sehr romantisch), die direkt entlang der Küste fährt, zu erreichen. Aus meiner Sicht ist dies und die Fahrt nach Algajola (schöne Strandpromenade und ein riesiger Kinderspielplatz) der kulturelle Höhepunkt der Region. Nach 2 Tagen geht unsere Reise weiter nach Cargese an der Westküste (Golfe de Sagone).

Unterwegs machen wir einen Abstecher nach Bonifatu, um auf einer Wanderung, zum Teil auf dem berühmten Wanderweg GR 20, die 700 m höher gelegene Carozzo- Hütte zu erreichen. Die Wanderung bietet wenig Spektakuläres bis auf eine Hängebrücke auf der Hälfte des Weges. Auf der Carozzo- Hütte trifft man die GR 20- Wanderer und man fragt sich, welcher Weg wohl hinter oder noch vor ihnen liegt.

Aber gleichzeitig fragen sich die vom Regen ziemlich gebeutelten Wanderer, wie ein ca. zweijähriges Mädchen hier hochgekommen ist, das gut gelaunt (da es auf Papas Rücken im Tragetuch ausgeschlafen hat) durch den dunklen Gastraum wandert. Runterwärts verfällt Hella gleich wieder in ihre Traumwelt.

Die Westküste ist sehr bergig und die Steilküste wird immer wieder durch fantastische kleine Strandbuchten unterbrochen. Auch hier sind die Wellenberge, die sich an den Strand wälzen, öfters ziemlich hoch.

Wir verbringen erholsame Tage mit Sonnen, Baden, Schlafen, Lesen, Nichtstun und dem von Hella ziemlich stark beanspruchten Vollzeitservice.

Nach 4 Tagen treten wir die Reise zu unserer letzten und ereignisreichsten Station, Ghisonaccia an der Ostküste, an. Die Fahrt gestaltet sich recht angenehm, vor allem für Hella, da die Strasse nur wenige Serpentinen hat und durch eine flache Talsohle über Corte zum Ziel führt. Im Gegensatz zu den ersten beiden Stationen steppt hier der Bär, eine endlose Karawane schleppt sich auf der N198 Richtung Bonifacio. Endlich erreichen wir unser Ziel in Ghisonaccia und das Chalet (praktisch ein Wohnwagen auf Stelzen) ist fast neu, so dass die Qualität, die je nach Alter der Behausung sehr unterschiedlich ausfällt, wieder einmal (I’lle- Rousse topp und Cargese von furchtbar bis annehmbar) sehr gut ist.

Die See ist auf dieser Seite sehr ruhig, die Strände endlos, allerdings sind diese auch ziemlich voll (nach meiner Definition heißt voll mehr als 5 Personen auf 100 m²). Ghisonaccia selbst hat wenig zu bieten, so wenden wir uns nach 3 Tagen gemütlichem „Strandens“ dem oben erwähnten Bonifacio zu. Dieser Ort ist wohl ein absoluter Höhepunkt unserer Stadt- und Dorfbesichtigungen. Die Fahrt in das links und rechts von Kalkwänden gesäumte Bonifacio ist fast mystisch. Der Blick, den die riesige Kalksteinwand an der letzten Kurve freigibt, ist fantastisch.

Hunderte wankende Spitzen ragen aus der Bucht in den Himmel. Die Spitzen gehören Segelbooten in allen Farben, Formen und Größen. Links des Kleinen langgezogenen Hafens befindet sich die Strandpromenade mit unzähligen Kneipen, Kaffees und Restaurants, in denen sich Gaffer (Menschen, die nicht auf dem Wasserweg gekommen sind) und Begaffte (die mit dem Boot) ein Stelldichein geben. Links über den Einkehrstuben erhebt sich eine Wand aus Gestein, auf deren Gipfel die Altstadt von Bonifacio thront. Das Schlendern durch die engen, von tausenden Touristen gesäumten Straßen ist Pflicht.

Rückfahrt. Zeltplatz. Das Kribbeln kommt wieder. Da, endlich, Autos mit vertrauten Kennzeichen säumen den Weg zum Quartier. Familie Koepernik und Ulbrich sind endlich da! Nach freudiger Begrüßung suche ich die Kletterbibel von Korsika, in der ich einem gottesfürchtigen Menschen ähnlich, jeden Tag gelesen und mir die Erfüllung meines Kletterhimmels herbeigebetet habe.

Der nächste Morgen verspricht fantastisches Kletterwetter bei leichter Bewölkung und etwas Wind. Jochen ist wie immer voller Tatendrang und ähnelt einem Kletterjunkie auf der Suche nach Kletterstoff. Als erstes nehmen wir uns ein Gebiet in unmittelbarer Nähe, in Chisa, vor. Dies liegt in einem verschlafenen Seitental der Bavella. Nach 35 minütiger Fahrt (normal 15 min Fahrt von Ghisonaccia bis Abzweig Travo, dann 10 min) mit der obligatorischen Verirrung mit mir als Führer und 15 minütigem Aufstieg liegt eine ca. 200 m breite Wand mit ca. 100 Wegen vor uns.

Alle sind dabei und die Wunschvorstellung eines kletternden Familienvaters geht in Erfüllung: Kind, Frau und Freunde beim Klettern in schöner Umgebung bei angenehmen Temperaturen an topabgesicherten Routen, die völlig überbewertet sind (ich wusste gar nicht, das ich eine französische 6c hochkomme?) und sogar eine liebevolle Kinderbetreuung für Hella (Ramona sei Dank!) stehen zur Verfügung. Alle haben ihren Spaß: Horst und Hanna klettern nach anfänglichen Zweifeln munter drauflos, Marion kann dank Ramona unbeschwert in jede eingehangene Route einsteigen. Hella hat zum Glück auch was für die Berge übrig: „Hella Berg machen!“ und ich bin wie immer mit einem unlösbaren Problem (namenlose 6b, sächsisch ca. VIIIb) beschäftigt („ich muss noch mal die Schuhe wechseln!“). Zum Schluss kann ich es zwar aus meiner Sicht lösen, aber die Nörgler (Jochen und Jens) meinen, ich hätte die Route verlassen und in der benachbarten Route Griffe verwendet. Solche Korinthenkacker, also wirklich! Der Fels ist aus Granit, leicht geneigt bis senkrecht, besteht aus Leisten und riesigen Löchern, die sich als Unter- oder Seitgriff benutzen lassen.

Leider sind in meinem Kletterführer die Routen zum Gebiet nicht eingezeichnet und an den Einstiegen steht auch (fast) nichts. Eine wirklich schwache Leistung für den einzigen Kletterführer, den es gibt. Einzigen Kletterführer? Falsch gedacht! Nachdem wir am Ende des Tages noch „Besuch“ von 2 deutschen Kletterern bekommen, werde ich eines Besseren belehrt. Sie hatten einen Auszug aus dem Führer „Falaises de Corse“. Dort waren alle Routen eingezeichnet. Mein Vertrauen in das bis dato doch recht umfangreiche Kletterführer-Angebot der Zeitschrift „Klettern“ war erschüttert. Jetzt, 3 Wochen nach dem Urlaub und einer kurzen Recherche (Falaises de Corse googeln!) weiß ich, dass es ca. 11 (!) Kletterführer gibt und einige davon auch in englischer Sprache. Aber was soll’s, aus Schaden wird man klug. Ihr, die jetzt das lesen könnt und einen Kletterurlaub auf Korsika plant, werdet es einfach besser machen!

Für den ersten Tag haben wir genug. Wir nehmen unterwegs ein fantastisches Bad an einer der unzähligen Badestellen (Gumpen) entlang des Gebirgsbaches.

Die Abende gestalten sich sehr kurzweilig, Auswertung des Tages und Planung des nächsten. Familie Koepernik geht i.d.R. zeitig schlafen, vor allem Jochen ist spätestens 23:00 Uhr in den Federn. „Wer fit sein will, muss ausgeschlafen den Tag beginnen!“ – ist sein Credo! Verdammt, da wird das wohl nix mit der Fitness…Wir trainieren lieber mit der einarmigen 0,5 l- Hantel und unsere Frauen schütteln nur den Kopf, über welchen Schwachsinn wir uns die Bäuche halten (falsch! Bauchmuskeltraining – richtig!). Bei der Anhäufung unserer geistigen Ergüsse kam uns schließlich die Idee für den Titel dieses Berichtes. Da hat sich das lange aufbleiben ja doch gelohnt!

Die Kletterfelsen rund um den Col de Bavella sind unser nächstes Ziel. Als wir nach kurvenreicher Fahrt aus den Autos steigen, fliegen uns die Mützen vom Kopf. Außerdem sind die Temperaturen dementsprechend, so dass wir eine Wanderung rund um die Gipfel des Col mit Ersteigung des einen oder anderen Gipfels (Schwierigkeit max. 2) in Angriff nehmen. Marion, Ramona und Hella (im Tragetuch) entscheiden sich am schönsten Aussichtspunkt mit Blick auf die Ostküste für den Rückzug. Aus der kleinen Wanderung wird ein vierstündiger Extremweg mit einem Gipfel (Nummer 3) und Auf- und Abstiegen über Geröll rund um den Col. Aber der Weiterweg bietet fantastische Ausblicke.

Jens und ich rennen vorneweg um die Leiden wenigstens zeitlich zu verkürzen. Kurz vor dem Ende nach 4h auf und ab, kommen die ersten Stolperer und andere Geh- Ungenauigkeiten, so dass wir froh sind als wir erschöpft auf die Stühle der Kneipe am Parkplatz plumpsen und 2 Bier ordern. Famoserweise gibt es in dem Laden um die Zeit nichts zu essen (außer süße Crepes!), obwohl die Nachfrage und die Gäste durchaus da sind. Französische Lebensart – da kann man nichts machen, außer sehnsüchtig an die deutsche Bockwurst denken! 45 Minuten später sind die anderen bei uns und unsere Profiwanderer Hanna und Horst sind auch ziemlich kaputt (Gott sei Dank fanden sie es auch anstrengend!).

Am nächsten Morgen sind wir mit demselben Ziel wieder zu dritt unterwegs. Der Wind ist erträglich, trotzdem sind die Windstopperjacken sehr nützlich. Der erste Sektor Campanella ist vom Parkplatz in 10 Minuten erreicht. Rauer, fester Granit mit einer Vielzahl von Formen, die fast schon grotesk wirken (Aushöhlungen bieten Platz für eine angenehme Übernachtung) Griffe, so groß, dass man Arme und Beine dahinter unterbringen kann. Wir beginnen mit einer 5c. Allerdings sind die Hakenabstände gewöhnungsbedürftig, teilweise 4 m bis zum nächsten sind normal. Danach lässt uns eine fantastische Verschneidung im Grad 5c (Sektor Murzella) vor Entzücken mit der Zunge schnalzen. Hier sind allerdings Nerven gefragt. Zwischen 4. und 5. Haken fehlt der Bohrhaken. Stattdessen klemmt ein abgerissener (!) Klemmkeil im Riss. 6m an schönen Griffen mit der Aussicht auf Bodenkontakt.

Danach folgt wieder mal ein Schmankerl aus der Zauberkiste von Herrn Koepernik. Eine 6c an praktisch nicht vorhandenen Griffen, die bei Jochen relativ einfach aussieht und sich beim Versuch als praktisch unmöglich herausstellt. Schön, immer mal wieder seine Grenzen kennenzulernen! Der „Gottähnliche“ hat wieder zugeschlagen! So darf ich Jochen auf keinen Fall nennen, aber ich kann nicht anders. Das soll auch nicht blasphemisch klingen, sondern ist einem Kletterartikel aus einer Zeit entlehnt, als Einige mit ihrer Leistung noch als nicht menschlich angesehen wurden, da sie den Naturgesetzen, vor allem der sehr hinderlichen Schwerkraft, trotzten. Am Ende erwartet uns (Campanella) eine überhängende 6b mit riesigen Henkeln. Freude juchzend springen wir in Gedanken bereits in eine der Gumpen, die uns im Fluss talwärts entlang der Strasse erwarten. Leider hatte mein Feldwebel (Marion) klare Zeitangaben bezüglich der Rückkehr festgelegt: spätestens 18.30 in der Unterkunft. 18:10Uhr startet unsere Rückfahrt und ich stelle erschrocken fest, dass schaffen wir nie! Jens und Jochen sind stinksauer, da ich energisch auf Rückfahrt mit Blaulicht bestehe. Ramona bestätigt bei unserer Ankunft um 18:50Uhr die Vorgabe. Marion tut dies leider nur halbherzig, so dass meine Kletterkumpels mir die Leviten lesen und mit Gruppenkeile drohen! Vertrau keiner Frau, wenn du es nicht schriftlich hast!

Am Abend gönnen wir uns die lokale Küche (Ferme- Auberge d’Urbino) auf einer Art Hausboot auf der lang in den See Etang d’ Urbino ragenden Landzunge. Natürlich sind Meeresfrüchte die bevorzugte Nahrung und wir bestellen alles, was die meisten wahrscheinlich nicht mal in die Hand nehmen würden – Austern (pfui Teufel, mein 1. und letztes Ma(h)l), Tintenfischringe (lecker!) und Miesmuscheln (sehr lecker!). Die Sardinen sind etwas gewöhnungsbedürftig. Als Kind von der geräucherten Sprotte im Osten verwöhnt, sind sie doch ein wenig „stachelig“. Am schlimmsten hat es jedoch Hanna getroffen – dem Fisch prinzipiell nicht besonders zugetan, quält sie sich einige „Delikatessen“ hinein.

Die Opfer, die sie bringt, können wir aufgrund ihrer Standhaftigkeit und versteinerter Miene nur vermuten. Horst ist sichtlich entspannter und probiert mit kindlicher Neugier alles aus.

Der Freitag, mein letzter Klettertag, liegt vor uns. Die Restonica- Schlucht wartet auf unseren Besuch. Direkt unter der Zitadelle von Corte geht es in einer engen Schlucht Richtung Berge. Bereits nach kurzer Zeit haben wir die ersten Kletterfelsen erreicht. Heute brennt die Sonne unbarmherzig. Alle Gumpen sind bereits reichlich mit Badenden und lebensmüden Kindern (die springen Saltos von 5 m hohen Felsen!) gefüllt. Hektisch suchen wir die letzten schattigen Kletterwege. Optisch macht der Felsen nicht viel her, jedoch nach den ersten entspannten Zügen in einer namenlosen 5c kommt die Begeisterung zurück und wir schweben auf einer Granitwolke der nächsten Traumroute entgegen. Das Klettern in der Halle hat sich bei Jens und mir bezahlt gemacht – konditionell sind wir in einem guten Zustand und die Konzentration ist auch besser geworden.

Nur eins geht dabei immer ein wenig verloren – die Fußtechnik und die Moral. Nichtsdestotrotz kämpfen wir uns von Route zu Route. 2 Routen (6b) folgen und wir bewältigen die Wege ohne zaudern. Ein Juchzer- Weg im Grad 6a+ lässt noch mal die Herzen höherschlagen. Jochen wählt eine schwierigere Variante, so dass Jens beim Nachstieg ins Trudeln gerät und ihm der Schweiß in Strömen aus den Schuhen läuft. Was für ein fantastischer Weg, an Adlerschwingen- breiten Riesengriffen geht es nach oben.

Unter dem vorletzten Bohrhaken kann ich durch abtauchen in eine kleine Höhlung einen No-hands-rest (Ruhepause in Kletterstellung ohne Benutzung der Hände) machen – grandios.

Zum Schluss hat Jochen wie üblich einen „Mörderweg“ für uns. An praktisch keinen Griffen und Tritten (ja ja, die Fußtechnik) schleichen wir eine 6b hoch. Unglaublich aber wahr, ich schaffe den Weg, zwar toprope, aber sturzfrei. Hurra, Schwerkraft überlistet und dem „Gottähnlichen“ wieder ein Stück näher gerückt!

Wir sind völlig platt! Entspannt lassen wir uns in eine der Gumpen im 20 m tiefer gelegenen Fluss nieder. Jens und Jochen springen ebenfalls von dem 5m- Felsen. Ich kann mich nicht überwinden und wähle einen 3 m- Felsen und finde den völlig ausreichend. Wir fahren mit dem Auto bis zum Ende der Schlucht, um den weiteren Verlauf und die restlichen Kletterfelsen zu studieren. Das Restonica- Tal ist definitiv eines der schönsten der Insel. Bizarr ist dabei die Mittelmarkierung auf der 2 m breiten Straße, die scheinbar für Zweiräder aufgemalt wurde. Für Fahranfänger ein absolutes „muss“, Adrenalin und tiefe Aussichten garantiert!
Korsika ist aus Kletterersicht ein absolutes Muss, die Vielfältigkeit des Granits ist atemberaubend (Latte übersprungen!). Kulinarisch hat es uns, Marion und mir, leider nicht so gut wie auf Sardinien gefallen (Latte gerissen!). Die Preise sind relativ hoch, die einheimischen Produkte paradoxerweise am teuersten (Bier – 1,80 €, polnisches Importbier – 0,70 €!). Die Menschen sind sehr gastfreundlich, haben sich ihre Kultur bewahrt und bei uns einen sehr zufriedenen Eindruck hinterlassen.

Und was hat das alles mit „Spritzkuma auf Korsika“ zu tun? Keine Ahnung, hört sich aber gut an, oder? Und was bedeutet es? Keine Ahnung…