Wir wollen klettern! Mit diesem Satz im Kopf, fuhren wir, Andrè Neumann und ich, voller Zuversicht zu Ostern nach Sachsen. Doch der deutsche Winter belehrte uns eines Besseren.
Denn Der brach mitten im Frühling noch mal aus. Nach einer Nacht in der Hütte, 10 cm Neuschnee, wenig Aussicht auf Besserung und der Gewissheit „Klettern is` nich`“, wollten wir nur noch nach Hause. Das schlimme Wort mit „W“ (Wandern) kam nicht in Frage. Bei der Heimfahrt keimte nur noch ein Gedanke: Wo in Europa kann man dieses Jahr zu Ostern klettern? Südfrankreich, Kroatien oder, ja oder Finale! Zu Hause angekommen, hetzten wir zum Computer -Internet sei Dank – wussten wir nach 5 Minuten, wo es hingeht. Finale am Ligurischen Meer! 22° C, Sonnenschein, Kletterherz- was willst Du mehr!? Ein Anruf bei meinem Chef, um eine Woche Urlaub gebettelt (mit Erfolg), und schon konnte es losgehen! 15 Stunden später (mit 5-stündiger Schlafpause) stehen wir im Mittelmeer (mit den Füßen). Die Sorge, zu Ostern kein kleines Plätzchen für unser Zelt zu finden, stellte sich als unbegründet heraus. Fast mitten in Finale (5-10 Gehminuten zum Zentrum bzw. zum Strand) befindet sich ein Zeltplatz („Tahiti“), der terrassenförmig angelegt ist und wenn man weiter oben einen Platz ergattert (was schwierig ist, da immer als erstes belegt) hat man einen wunderschönen Blick auf die umliegenden Kletterberge. Für Ostern war hier wirklich wenig los. Nach dem Einchecken ging es ins pralle Finaleleben, was sich hauptsächlich auf der Strandpromenade und dem parallel dazu befindlichen Boulevard abspielt. Hier gibt es auch ein paar Buchläden, in denen man den begehrten Kletterführer erwerben kann (ich empfehle: Finale Y2K für ca. 49,-DM). Beim Studieren des Führers in einer Pizzaria stellten wir wieder einmal fest, dass die italienischen (Bier)- Uhren etwas anders gehen: Bier aus klitzekleinen Gläsern (0,3) für 6,-DM/Stück. Früher wäre man von diesem Geld zu einem gesegneten Vollrausch gekommen, aber wir waren ja schließlich nicht zum Sumpfen hier.
Der erste Klettertag begann mit einem verheißungsvollem, strahlend blauem Himmel. Die Kletterferien konnten endlich beginnen. Zuerst nahmen wir uns den Rocca di Corno zur Brust.
Die Zufahrt vom Zeltplatz dauert keine Viertelstunde, und der Zustieg eigentlich auch nicht länger, aber statt am Einstieg landen wir auf dem Gipfel. Wir sind zu blöd den Führer richtig zu lesen. Aber schließlich schaffen wir zwei Blondinen es doch, unseren gewünschten Einstieg (settore est) zu finden. Wir legen gleich mit einer 6a los, wobei wir Beide unbedingt vorsteigen wollen, denn die Absicherung ist mega(übertrieben)gut. Der erste Bohrhaken befindet sich bei mir ungefähr in Kopfhöhe (1.96m), und darauf folgt alle Meter einer.
Doch die Kräfte halten nicht ewig, und nach der 5.Tour, ebenfalls 6a, ist es nur noch Krampf statt Spaß. Der erste Klettertag neigte sich dem Ende zu und wir sind vollends zufrieden und glücklich. Der Fels ist super, teils auch superscharf, das Ambiente ist perfekt. Nach dem Essen und schon drei Bier schleichen wir erschöpft in unsere Schlafsäcke. Es ist der festeste
Schlaf den ich seit langem in einem Zelt hatte.
Doch schon am nächsten Morgen geht es mit den über Nacht neu gewonnenen Kräften frisch ans Werk. Diesmal ist Capo Noli (Sektor Nolitudine) unser Ziel. Direkt über dem Meer erheben sich die Felsklippen. Der Zustieg ist nur für Geübte: Abseilen über ein Stahlseil oder an den Leitplanken der Strasse, oder wer möchte 10m abklettern (3-4 sächsisch). Dann folgt ein 20m Quergang (ebenfalls 3-4). Heute fangen wir schön langsam an, erst 4b, dann 5b und 5c. Der Fels ist supergriffig und es ist einfach geil an ihm zu klettern, vor allem bei diesen Aussichten. Nach einem Alster in der Mittagspause, flashen wir eine 6a und eine 6b+ und lassen den Tag mit ein paar 5ern ausklingen. Der Abend gestaltet sich wie der Letzte. Wir sind ganz schön fertig und während das Nachtleben in Finale begann, lagen wir schon friedlich träumend in unseren Kojen.
Um nicht vollends pleite nach Hause zu kommen, müssen wir am nächsten Morgen erst einmal unsere Biervorräte im örtlichen Coop aufpeppeln. Der Mensch lebt schließlich nicht von Brot allein. Man sollte reichlich Essbares von zu Hause mitbringen, denn die Preise für beispielsweise Wurst, sind echt der Hammer. Die Bierpreise sind noch human, das stimmt uns wieder versöhnlich. Heute wollen wir die Gebiete Bric Reseghe und Casa del Vacche` erkunden, wobei Ersterer zurzeit leider gesperrt ist, was auch im Führer steht, aber auf Italienisch. Casa del Vacche liegt mitten im Wald und ist, jedenfalls für uns, nicht so leicht zu finden. Endlich angekommen, sind wir erst mal baff, denn die ersten Haken befinden sich in 3-4 m Höhe, fast sächsisches Ambiente also (alles was drunter war, wurde abgesägt). Die 5en sind rar gesät, doch uns reicht das für heute, man soll es ja nicht übertreiben. Der Abstieg ist genauso lustig wie der Aufstieg, wir verlaufen uns und kommen so noch zu einer ungewollten Klettertour in einem ausgetrockneten Canyon. Am nächsten Tag geht es zur Bastionata di Boragni, einem größeren Klettergebiet (154 Wege). Wir finden unseren angestrebten Sektor (Settore sinistro) fast auf Anhieb und es kann frisch ans Werk gehen. Wir fangen mit ein paar 5ern an, die es powermäßig schon mächtig in sich haben, da stürzt direkt neben unserem Weg eine sächsische Kletterin so unglücklich, so dass sie sich schwer am Knie verletzt und einen Schock hat. Sie muss sofort ins Krankenhaus. Wir versorgen sie notdürftig und ihr Mann bringt sie zum Auto (unsere weitere Hilfe wird höflich abgelehnt). Für uns ist der Tag gelaufen, wir bringen nichts mehr zu Stande. Der Schock sitzt scheinbar auch in unseren Gliedern (ja, ja, diese sensiblen Weicheier!!). Am Abend lassen wir die Korken knallen, gönnen uns „sogar“ mal eine Pizza und genießen das Nachtleben von Finale. Der letzte Abend geht zu Ende und morgen wollen wir noch eine lange Tour angehen (Bric Pinarella, Settore Centrale, 240m, 8 Seillängen, max. 5b). Wir wurden schon von anderen gewarnt, die den Einstieg nicht fanden. Nach 1,5 h suchen im undurchdringlichsten Gestrüpp, dachten wir schon, wir hätten den Einstieg gefunden, doch nach 3 Seillängen an rostigen Gurken und max. „7b“ (glaube ich), gaben wir auf. Wieder am Parkplatz angekommen, sahen wir aus, wie nach einer Sado-Maso-Party. Arme, Beine, Gesicht, alles mit Striemen und Schmarren überzogen. Es ist zwar nicht der krönende Abschluß, den wir uns vorgestellt hatten, doch wir sind trotzdem glücklich über das Erlebte. Finale ist klasse, das Meer, die Felsen sowieso und jederzeit eine Reise wert (nicht unter 5 Tagen, 2200 km hin- und zurück). Und wenn wieder einmal in Sachsen das Wetter nicht mitspielt und Ihr noch zu viel Urlaub habt, stehe ich gern für Fragen jederzeit zur Verfügung.