Erschöpft verlassen wir den Flieger. Jeder Knochen muss neu sortiert und wieder in seine angestammte Position verdreht werden. Kapstadt liegt vor uns und ein Flug, auf den man gerne verzichten könnte, hinter uns.
Marion, André, Luba, Yvonne und ich nehmen unseren Toyota Corolla in Empfang. Für einen Mitteleuropäer tun sich mit Ausnahme der Britten gleich Abgründe auf, wenn man hinter dem Steuer sitzt: Irgendwie passt das alles nicht zusammen. Der Europäer wird spätestens dann wahrgenommen, wenn er in Kapstadt an einer Ampel abbiegt. Der Scheibenwischer geht an und der Blinker bleibt aus. Alles auf der falschen Seite!
Als ich losfahre freue ich mich wie ein kleines Kind: endlich kann man mal alles verkehrt machen!
Der nächste Tag bringt uns endlich an die Felsen und zu fünft suchen wir das erste Gebiet (Lakeside Pinnacle) nach den begehrten Wegen ab. Wir finden keinen einzigen. Zigmal studiere ich den englischsprachigen Führer (Cape Rock von Julian Fischer). Enttäuscht richten André und ich ein Toprope an einer überhängenden Felsnase ein. Lustlos nach dem wir 100-mal den Hang hoch und runter gestolpert sind, machen wir einige Züge. Das fängt ja prima an!
Mit unseren Frauen haben wir uns geeinigt, abwechselnd einen Tag klettern zu gehen und dann einen Tag Sightseeing zu machen. Kapstadt hat kulturell, wenn man Shopping dazuzählt, einiges zu bieten.
Den Tafelberg klettertechnisch zu bezwingen, gehört zu den Pflichtaufgaben eines kletternden Kapstadt- Reisenden. Eine der leichteren Routen, denn unsere Frauen wollen auch noch klettern, ist unser Ziel (Africa Ledge – Arrow Final 4b, 90m). Die selbst abzusichernde leichte Einkletterroute ist, wenn man, nicht wie wir, die Nachmittagssonne meidet, ganz nett. So habe ich mir lange nicht mehr die Schultern verbrannt!
Der Knüller ist aber, dass man die ganzen 90m unter einer Gondel, die zum Tafelberg hinaufführt, klettert.
Noch besser ist, dass diese meistens mit asiatisch anmutenden Personen gefüllt wird, denen die Kamera schon in die Augenhöhlen eingewachsen zu sein scheint. Um noch eins drauf zu legen, dreht sich diese Gondel während der Fahrt und die Touristen versuchen mit lautem Gekreische ein Foto von unseren gestählten Kletterkörpern zu machen.12h Flug für so ein Ereignis, das hat sich gelohnt.
Mit den Frauen an der „Leine“ kommen am nächsten Morgen dann auch die Freunde des weiblichen Klettergeschlechts in der Gondel auf ihre Kosten.
Wenn man an den südlichsten Zipfel des afrikanischen Kontinents fliegt, möchte man auch den südlichsten Zipfel auch mal anfassen: das Kap der guten Hoffnung ist äußerst unspektakulär, dass man den Punkt erreicht hat, merkt man an der hohen Konzentration von Touristen. Ansonsten keine Reise wert. Und der südlichste Punkt ist es auch nicht, sondern das Cape Agulhas, etwas weiter östlich. Zum Baden ist der Atlantik übrigens auch viel zu kalt, außer man befindet sich östlich des Cape Agulhas, denn hier beginnt der indische Ozean und das Wasser hat angenehme Temperaturen (24°C).
Eine Vielzahl der Klettergebiete befindet sich in unmittelbarer Nähe von Kapstadt, so wie Silvermine Crag. Ein niedliches kleines, schnell zu erreichendes Areal mit 2 Sektoren. Hier treffen wir auf ein paar gut informierte Locals, die uns erzählen, dass Lakeside Pinnacle, unser 1.Versuch, nicht mehr existiert, da die Anwohner alle Bohrhaken entfernt und die Wege dorthin zerstört hatten. Warum wussten sie auch nicht.
Peer`s Cave ist unser nächstes Ziel. Wieder nur 5min zum Einstieg. Das Leben könnte so einfach sein!
Absolut perfekter Fels mit auch sehr leichten Routen bringt puren Genuss. Zum Abschluss eine perfekte 6b onsight (Sad Lament For Your Phallus), ich bin gerührt!
Die Rocklands im Norden des Landes besuchen wir vor allem Aufgrund der sagenumwobenen Boulderfelsen, die wie ein riesiger Kletterspielplatz wirken. Schließlich klettern wir eine Route im Island Sektor, Wet Pups (5), die aber solchige nicht verursachen, da die Absicherung perfekt ist. Eine Traumtour, die stark an den Talweg des Höllenhundes in Rathen erinnert.
Am nächsten Morgen haben wir mal wieder was ganz Verrücktes vor: Wir wollen heiraten!
Schnell in die besten mitgebrachten Sachen geschlüpft fahren wir dann zum Standesamt. Dies ähnelt zwar mehr einer billigen Absteige, aber die Standesbeamtin, zu der wir uns durchfragen, ist sehr freundlich. Aufgrund der angeblich langen Wartezeit habe ich das Portemonnaie ganz locker sitzen, jedoch mit dem Verweis darauf, dass wäre kein Problem und wir sollen in einer Stunde wieder kommen, können wir den Korruptionsverdacht in afrikanischen Behörden leider nicht bestätigen. Nach 10 Minuten ist alles vorbei. Dann fragt mein Freund André seine leicht bedrückte Luba, ob sie nicht auch wolle. Noch mal 10 Minuten und auch das wäre erledigt.
Montagu ist ebenso legendär wie die Rocklands. Eine nicht enden wollende Autofahrt entlässt uns nach 2 Stunden Richtung Osten aus der stickigen Karre. Die Frauen haben wie immer andere Ziele (heiße Quellen zum Entspannen in der Nähe von Montagu) und so schultern wir unsere Rucksäcke und haben auch schon einen Liter Wasser verloren. Die Hitze ist unerträglich und nicht gerade motivierend. Die kühlende Brise der Klettergebiete um Kapstadt fehlt hier leider völlig. Eine 6a (Master of Puppets) im Sektor Bosch zum Anfang presst mir die letzten Tropfen aus dem Körper.
Man kann gar nicht so schnell chalken wie das Wasser aus den Händen spritzt. Der Fels hat eine faszinierend blendend rote Farbe und wirkt durch seine glatte Oberfläche eher abweisend. Dieser Granit ist im Winter sicherlich angenehmer zu händeln. Doch wir kämpfen uns durch! Chocolate Speedway (6a) im Sektor Legoland ist das Highlight des Tages. Nach 6 Touren sind die Frauen Gott sei Dank „auch schon wieder“ zurück. Bei Temperaturen um die 30°C sind wir froh den kühlen Fahrtwind im Gesicht zu spüren.
Es gibt etliche sehenswerte Ecken in und um Kapstadt zu sehen: Simon’s Town, Citrusdal, Swellendam und natürlich Boulders Beach, man glaubt gar nicht, dass die ganzen schönen Felsen jetzt den Pinguinen gehören.
Nicht verpassen sollte man, ein- oder mehrer Male „Fish and Ships“ in einer der zahllosen Küstenorte zu genießen. Es schmeckt überall, das war unsere Erfahrung.
Ein kleines Leckerli zum Schluss. Skoorsteenkop bietet exzellente Klettereien, obwohl es von der Strasse aus kaum den Eindruck macht. Von der Mittagssonne teilweise geschützt knacken wir die geniale Stairway to heaven (5+), die sich plötzlich in ein Meer von genialen Zügen auflösende V (6b), die sogar gleich onsight gelingt. Als harter und finaler Brocken erweist sich Breaking point (6c).
Die Routen sind in fast allen „weich“ bewertet, was heißen soll, hier kann man seine persönliche Schwierigkeitsskala nach oben schrauben, nur wenn man wieder zu Hause ist, kommt die ernüchternde Wahrheit: Ich bin gar nicht besser geworden!?
Nach nur 4 Routen stehen die Frauen schon wieder ungeduldig am Wagen. Jedoch, zu unserer größten Verzückung erwarten sie uns mit einem kalten Bier. Dieses Gefühl, des meine Kehle zum Explodieren bringenden wohlverdienten Gerstensaftes, hat sich ebenso in meine Erinnerung gebrannt, wie dieser geniale Flecken Stein am Ende der Welt. Ach, da war doch noch was anderes, was ich nicht vergessen sollte…Ring, ewige Treue, eh` was!?